Inklusion und Behinderung

Das ICEP beschäftigt sich aus einer menschenrechtsethischen Perspektive mit dem Phänomen Behinderung, insbesondere mit Blick auf seine soziale Inszenierung und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Ausgrenzungstendenzen. Der theoretische Bezugsrahmen und explizite Fokus der Arbeit bildet das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen“, das in Deutschland häufig als UN-Behindertenrechtskonvention abgekürzt wird (UN-BRK). Die UN-BRK stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderung auf Selbstbestimmung, Teilhabe und Diskriminierungsschutz und formuliert konzeptionelle Bausteine für eine inklusive Gesellschaft. Diesen Prozess der Umgestaltung traditioneller „Behindertenpolitik“ zu einer rechtebasierten Politik der Inklusion begleitet das ICEP durch seine ethische Expertise. Das ICEP setzt sich in erster Linie mit der Frage auseinander, wie in Bildung, Professionalität und Politik die volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Diskriminierungsfreiheit erreicht werden kann.

Enabling Community

Eine Enabling Community ist ein Gemeinwesen, das zur rechtlichen und sozialen Inklusion seiner Bürgerinnen und Bürger kontinuierlich befähigt wird und durch diesen Prozess zu einem Gemeinwesen werden kann, das langfristig befähigend wirkt. Es geht darum, dass sich alle in einem Gemeinwesen lebenden Menschen als Bürgerinnen und Bürger geachtet fühlen, weil ihnen in den relevanten Lebensbereichen weitestgehend individuelle Autonomie, das Recht auf Selbstbestimmung sowie das Recht auf die „Einbeziehung in die Gemeinschaft“ (Art. 19 UN-BRK) zugestanden wird.

Die Reform der Eingliederungshilfe und die Entwicklung personenzentrierter Teilhabeleistungen sowie durchlässiger und flexibler Hilfesysteme gehen weiter. Der Reformprozess und seine Auswirkungen auf die Sozialgesetzgebung können dazu beitragen, den individuellen Bedarfen und den fundamentalen Selbstbestimmungsrechten der Menschen mit Behinderungen besser als bisher Rechnung zu tragen. Das ICEP hat ein Positionspapier erarbeitet, das die Evangelische Stiftung Alsterdorf und die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin unter dem Titel „Enabling Community – Gemeinwesen zur Inklusion befähigen!“ im November 2009 einer breiten Fachöffentlichkeit und politischen Entscheidungsträgern zugänglich machen konnte. Das Papier zielt auf die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und fordert ein grundsätzliches Umdenken in Kommunalpolitik, Verwaltung und Sozialer Arbeit. Die Fortschreibung der Eingliederungshilfe im Sinne einer Enabling Community und die Umsetzung der UN-BRK waren auch Anliegen eines Fachbuches, das im Jahr 2010 in der redaktionellen Bearbeitung des ICEP unter dem Titel „Enabling Community – Anstöße für Politik und soziale Praxis“ im alsterdorf-Verlag in Hamburg erschienen ist. Zudem beteiligen sich Mitarbeiter des ICEP an der Fortbildung zum „Community Worker“, die von der KHSB und „Bethel vorOrt“ in Dortmund gemeinsam durchgeführt wird.

Behinderung, Sport und Öffentlichkeit

Die UN-BRK stellt konkrete Anforderungen an unterschiedliche Akteure in Politik und Gesellschaft. Der Diskurs um Teilhabe und Inklusion wird gegenwärtig vor allem in der Schulpolitik geführt, relativ neu hingegen ist er für viele zivilgesellschaftliche Initiativen, Verbände oder kulturelle Gruppen, etwa im Bereich des Sports. Die UN-BRK bedeutet für den Sport weitaus mehr als nur die Sicherstellung des barrierefreien Zugangs zu Sportstätten und die Möglichkeit ihrer Teilnahme an Aktivitäten im klassischen „Behindertensport“. Über die Gewährleistung von Barrierefreiheit hinaus werden Sportverbände und -vereine durch die UN-BRK aufgefordert, Menschen mit Behinderungen zu animieren, zu ermutigen und zu befähigen, so umfassend wie möglich und auf allen Ebenen an breitensportlichen Aktivitäten selbstbestimmt zu partizipieren (Artikel 30 der UN-BRK). Die Konvention bezieht dabei alle Menschen mit Behinderungen ein, auch solche mit einer sog. geistigen Behinderung. Adressaten der Konvention sind der Staat und seine Verwaltung, aber auch und vor allem die Mehrheitsgesellschaft. Teilhabe durch Sport ist nur möglich, wenn sich die hergebrachten Strukturen im Leistungs- und Breitensport radikal ändern und „inklusiv“ umgestaltet werden. Durch die enorme soziale Bedeutung des Breiten- und Leistungssports können Verbände und Vereine zu „Inklusionsmotoren“ werden, deren Wirkung auch auf andere gesellschaftliche Bereiche ausstrahlt. Welche Implikationen die UN-BRK für den Sport mit sich bringt und wie ihre normativen Grundsätze in konkrete Strukturen und Handlungen umgesetzt werden könnten, war Gegenstand eines Symposiums des ICEP und des „Wissenschaftlichen Beirats des AK Kirche und Sport“ sowie der „Arbeitsstelle Pastoral für Menschen mit Behinderung der Deutschen Bischofskonferenz“ im November 2010. An diesem Symposium nahmen 150 Personen aus Fach- und Selbsthilfeverbänden, Politik, Wissenschaft und Kirche, darunter Willi Lemke und Hubert Hüppe. Das ICEP wird dieses Thema in einer Fachpublikation mit dem Titel „Sport im Spiegel der UN-Behindertenrechtskonvention“ vertiefend bearbeiten. Das Buch erscheint im Frühjahr 2012 im Stuttgarter Kohlhammer-Verlag in der Reihe „Behinderung – Theologie – Kirche“, die von Andreas Lob-Hüdepohl und Johannes Eurich herausgegeben wird.